Startgutschriften: Beschwerden beim Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht

Wir haben wie angekündigt im Oktober in fünf Fällen umfänglich begründete Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht.

 In den fraglichen Fällen sind durch die VBL massive Kürzungen der Rentenanwartschaften  der Versicherten bis zu 80 % ( !) erfolgt.

Wir haben zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg nachdrücklich die  Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrechte der Versicherten sowie die Verletzung der Rechtsgewähransprüche der Versicherten gerügt.

Über den Fortgang der Verfahren werden wir informieren.

Zur Verletzung der Rechtsgewährsansprüche der Versicherten haben wir u.a. ausgeführt:

"...Verletzung des Rechtsgewährsanspruchs der Beschwerdeführerin
 
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus den Rechtsgewährsanspruchs der Beschwerdeführerin verkannt.
 
Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach unter Verweis auf die Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien versagt sei, in der Sache selbst zu entscheiden und den weitergehenden Prozessanträgen der Beschwerdeführerin stattzugeben, kann in keiner Weise gefolgt werden.
 
Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes, dass es „zunächst den Tarifparteien vorbehalten sei, eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen“, geht ersichtlich fehl.
 
 
1.
Zutreffend führt das Bundesverfassungsgericht zunächst zum Rechtsgewähranspruch der Beschwerdeführerin aus:
 
„Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet wirksamen Rechtsschutz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
 
Ein wirksamer Rechtsschutz muss die grundsätzlich umfassende rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes und eine verbindliche Entscheidung durch einen Richter ermöglichen.
 
Eröffnet die Rechtsweggarantie den Weg zu einem staatlichen Gericht, so bedeutet der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, dass die Gerichte im jeweiligen Verfahren der normativen Geltung der Grundrechte tatsächliche Wirksamkeit verschaffen müssen.
 
Die Gerichte haben die positive Verpflichtung, die Grundrechte durchzusetzen .
 
 
2.
Das Bundesverfassungsgericht meint jedoch im weiteren, der Bundesgerichtshof sei wegen der Ankündigung der Tarifvertragsparteien, im Falle der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Berechnungsvorschriften für die Startgutschriften neue Verhandlungen aufzunehmen, berechtigt davon ausgegangen, dass mit einer Neuregelung innerhalb absehbarer Zeit zu rechnen sei.
 
Vor diesem Hintergrund seien erhebliche Nachteile für die Versicherten nicht zu befürchten. Hinreichender Rechtsschutz der Versicherten sei dadurch gewährleistet, dass sie eine Neuregelung, sobald sie hierdurch betroffen sind, wieder einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen könnten.
 
 
3.
Diese Rechtsauffassung geht ersichtlich fehl, da sie im Ergebnis den Rechtsgewährsanspruch der Versicherten aufgibt.
 
Die Herbeiführung einer verfassungsgemäßen Gestaltung der Satzung der VBL wird in der ergangenen Entscheidung im Ergebnis auf unabsehbare Zeit in die Hände der Tarifparteien gegeben.
 
Um es polemisch zu sagen: Die Gerichte werden damit – unter Aufgabe des Rechtsgewährsanspruches der Klagepartei – zum „Sklaven“ der Tarifparteien.
 
Das Bundesverfassungsgericht durfte in keiner Weise berechtigt davon ausgehen, dass die Tarifparteien in „absehbarer Zeit“ im Wege von Tarifverhandlungen eine verfassungsgemäßen Gestaltung der Satzung der VBL herbeiführen.
 
Dies umso weniger, als hierfür weder ein Zeitlimit gesetzt wurde, noch wird der amorphe und gänzlich unjuristische Begriff der „absehbaren Zeit“ auch nur andeutungsweise konkretisiert wurde.
 
Die Annahme des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts wird zudem durch den tatsächlichen Gang der Dinge drastisch wiederlegt:
 
Die von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder durchgeführte Satzungsänderung erfolgte mit Wirkung zum 01.01.2002.
 
Seitdem agiert die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder auf Basis dieser rechtswidrigen Satzung, somit bereits jetzt seit 8 ¾ Jahren (!).
 
Maßgebliche Tarifverhandlungen zur Herbeiführung verfassungskonformer Regelungen haben die Tarifparteien seit nunmehr 8 ¾ Jahren (!) nicht aufgenommen.
 
Eine ernsthafte Aufnahme der Tarifverhandlungen ist von keiner der beiden Tarifparteien vorgesehen, obwohl die Pilotentscheidung des Bundesgerichtshofes bereits vom 14.11.2007 datiert und somit auch diese höchstrichterliche Entscheidung bereits seit fast drei Jahren vorliegt.
 
Die Tarifparteien haben es nicht eilig, die Arbeitgeber schon gar nicht, da sie höhere Forderungen der Arbeitnehmen befürchten. Die Arbeitnehmerseite hat die Tarifverhandlungen nicht aufgenommen, da die Arbeitgeber weitere Leistungskürzungen verlangen.
 
In dieser Form darf die Justiz sich nicht vom Gebaren der Tarifparteien abhängig machen, ohne den Rechtsgewähranspruch des Rechtsbürgers zu verletzen.
 
Richtig kann nur folgendes sein:
 
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ist eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt.
 
Sie ist selbst nicht Tarifpartei. Sie ist selbst gar nicht tariffähig.
 
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder war als öffentlich-rechtliche Anstalt von Anfang an nicht berechtigt und schon gar nicht verpflichtet, verfassungswidrige Tarifregelungen umzusetzen.
 
Verfassungswidrige Tarifregelungen sind nichtig, auch wenn sie von Tarifparteien formuliert wurden.
 
Tarifrechtlich können und dürfen verfassungswidrige Tarifregelungen keine Kraft entfalten, sie dürfen nicht Grundlage von Satzungsregelungen für Millionen von Versicherten werden.
 
Tarifrechtlich gilt der Grundsatz der Tarifkontinuität. Vormalige Tarifregelungen bleiben so lange in Kraft, bis sie von rechtmäßigen und nicht verfassungswidrigen neuen Tarifregelungen abgelöst werden.
 
Ablösen können jedoch nur rechtmäßige Tarifregelungen, nicht aber rechtswidrige, schon gar nicht verfassungswidrige Tarifregelungen.
 
Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder konnte und durfte somit die vormaligen Tarifverträge vor der Systemänderung in ihren Versicherungsverhältnissen nicht umsetzen, bis die Tarifparteien neue, rechtmäßige Tarifregelungen vereinbart haben.
 
Hingegen geht es nicht an, die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder auf der Basis eines rechtswidrigen Tarifvertrages agieren zu lassen und den Tarifparteien anheim zu stellen, irgendwann einmal rechtsmäßige Zustände herbeizuführen. Dies stellt die Dinge rechtlich auf den Kopf.
 
Somit wäre zutreffend von den Zivilgerichten und vom Bundesverfassungsgericht zu erkennen gewesen, dass die früheren Satzungsbestimmungen fortgelten, da die Satzungsänderung wegen Verstoßes gegen den Eigentumsschutz der Versicherten nichtig ist.
 
Nachdem die nationalen Gerichte diese Feststellung nicht getroffen hat, wird begehrt, den Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention wegen Verletzung des Eigentumsrechts der Beschwerdeführerin auszusprechen.“