OLG Karlsruhe weist Gegenwertklagen der VBL ab

Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat Ende August 2014 in mehreren von der VBL – Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe – angestrengten Gegenwertklagen die Berufungen der VBL zurückgewiesen.

Das OLG Karlsruhe hat damit die vorinstanzlichen Klageabweisungen der von der VBL gegen ausgeschiedene Arbeitgeber erhobenen Forderungen auf Zahlung von Gegenwert bestätigt.

Gleichzeitig hat das Oberlandesgericht Karlsruhe den Anschlussberufungen der Arbeitgeber auf Rückzahlung von Gegenwertzahlungen, welche die Arbeitgeber an die VBL bereits erbracht hatten, zugesprochen.

Hintergrund

1. Entwicklung der Rechtsprechung

Die VBL – Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe – sowie die anderen Zusatzversorgungskassen verlangen bekanntlich bei Ausscheiden eines Arbeitgebers als Mitglied die Zahlung eines Gegenwertes/ Ausgleichszahlung.

Die vormals hierfür maßgeblichen Satzungsregelungen der Zusatzversorgungs-kassen zum Gegenwert/Ausgleichszahlung bei Ausscheiden eines Arbeitgebers aus der Zusatzversorgungskasse wurden bereits durch die Piloturteile des Bundesgerichtshofs vom 10.11.2012 - IV ZR 10/11 und IV ZR 12/11 - als rechtswidrig und damit unwirksam erkannt.

Der Bundesgerichtshof rügt insbesondere, dass die Satzungsregelungen für ausscheidende Arbeitgeber ein unzumutbares Austritthemmnis beinhalten und somit gegen AGB-Recht verstoßen.

Die VBL hat daraufhin zum 01.01.2013 zur Regelung der von ihr optierten Gegen-wertzahlung neue Satzungsregelungen generiert. Für Arbeitgeber, die zwischen dem 01.01.2002 und dem 31.12. 2012 ausgeschieden sind, erging ein satzungsergänzender Beschluss des Verwaltungsrates vom 21.11.2012.

Die neuen Satzungsregelungen beinhalten u.a. für ausscheidende Arbeitgeber das Angebot eines sogenannten modifizierten Erstattungsmodells zur Erbringung des Gegenwertes.

Gegen die neuen Regelungen wurden in der Rechtswissenschaft erhebliche Einwendungen erhoben. Insbesondere wurde gerügt, dass die neuen Regelungen bei gesamtheitlicher Betrachtung unzumutbare Austritthemmnisse fortsetzen würden.

Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat in den ergangenen Entscheidungen in den jetzt vorliegenden Entscheidungsgründen sich dieser Rechtskritik weitgehend angeschlossen. Das OLG Karlsruhe hat erkannt, dass auch die generierten neuen Satzungsregelungen zum Verlangen eines Ausgleichsbetrages bei Ausscheiden eines Arbeitgebers erneut rechtswidrig und damit erneut unwirksam sind.

 

2. Erhebliche Tragweite des Urteils

Wir sehen für das Urteil eine erhebliche Tragweite, da erstmalig ein Berufungsgericht auch die neuen Satzungsregelungen der VBL zum Gegenwert für rechtswidrig erkannt hat.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe erklärte insbesondere auch das jetzt angebotene modifizierte Erstattungsmodell vornehmlich aus folgenden Gründen für unwirksam.

a)

Die ausscheidenden Arbeitgeber sollen verpflichtet sein, die Umlage fortzuzahlen. Damit werde unzulässig eine Fortdauer der Beteiligung festgeschrieben.

b)

Das Prognoserisiko für den zu erbringenden Gesamtbetrag werde weiterhin in unzulässiger Weise alleine auf dem Arbeitgeber überbürdet.

c)

Durch den in die Satzung eingeführten Deckungsvorbehalt werde dem ausgeschiedenen Arbeitgeber das Risiko etwaiger fehlerhaften Anlagen der VBL überbürdet. Diese Differenzhaftung des Arbeitgebers sei nicht zumutbar.

Bereits aus diesen vorgenannten Gesichtspunkten würden auch die neuen Satzungsregelungen des VBL zum Gegenwert unverändert für die beteiligten Arbeitgeber ein nicht vertretbares Austrittshindernis setzen.

3. Weitere Unwirksamkeitsgründe

Aus den vorgenannten Gründen hat das Oberlandesgericht Karlsruhe auch dahingestellt gelassen, ob die neuen Satzungsbestimmungen gegebenenfalls auch aus weiteren Gründen unwirksam sind.

Als weiterer Unwirksamkeitsgrund wird in der Rechtsliteratur indessen weitgehend eine unzulässige Rückwirkung der neuen Satzungsregelungen gesehen. Es wird ausgeführt, dass bereits ausgeschiedene Arbeitgeber und beendete Vertrags-verhältnisse nicht angeblich rückwirkend durch die von einem Vertragsteil nachträglich generierten neuen Satzungsregelungen – sprich neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen – wirksam erfasst werden können.

Dies beinhalte einen massiven Verstoß gegen Rechtsgrundsätze des AGB-Rechts sowie einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verbot einer echten Rückwirkung.

Zudem halte eine solche Regelung einer europarechtlichen Überprüfung nicht stand.

Wir sehen diese weiteren Unwirksamkeitsgründe für die Fälle, in denen Arbeitgeber, bereits vor dem 01.01.2013 aus der Zusatzversorgungskasse ausgeschieden sind, ebenfalls für begründet.

 

Karlsruhe, den 23.102014

Valentin Heckert

Rechtsanwalt

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