Nachbarrecht – hier Thema des Monats – Die Juristen und das liebe Vieh

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Jeder Eigentümer muss aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis heraus gewisse von anderen Grundstücken ausgehende Störungen hinnehmen.

Die Frage ist wo ist die Grenze?

Grundsätzlich haftet der Tierhalter für Schäden, die sein Haustier verursacht. Zum Schadenersatz ist er aber nur dann verpflichtet wenn er nicht nachweisen kann, dass er bei der Beaufsichtigung die erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder das der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

Konkret geht es beim Streit um Tiere in Nachbarrecht meist um Belästigungen durch Lärm oder durch Gerüche oder Verunreinigungen.

Gestritten wird auch darüber ob das schlichte Betreten des Nachbargrundstückes durch fremde Tiere Gegenansprüche auslösen kann.

Es gibt nur wenige gesetzliche Vorschriften.

Die wichtigste Vorschrift ist § 906 BGB.

Dort heißt es, dass Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung durch Lärm, Gerüche und ähnliche Einwirkungen in zwei Fällen geduldet werden müssen:

Dann wenn sie unwesentlich sind und dann wenn sie zwar wesentlich aber örtsüblich sind.

Wer Geflügel wie Hühner, Gänse, Enten und anderes hält, muss dafür sorgen, dass es keinen Schaden auf dem Nachbargrundstück anrichtet. Sperrt man es nicht in den Stall ein, so muss man gegebenenfalls sein Grundstück in genügender Höhe einzäunen und das Hoftor geschlossen halten.

Bei Vögeln und Geflügel ist wieder die Geräuschbelästigung im Vordergrund.

Bei Singvögeln die einzeln oder als Paar gehalten werden, die ausgesprochen sangesfreudig sind, wird keine Beeinträchtigung angenommen.

Schon die Haltung von Papageien kann jedoch unter Umständen problematisch sein, da beispielsweise ein Graupapagei mit Schreien bis zu 100 Dezibel mühelos jeden Presslufthammer übertönen kann. Hier kann es durchaus sein, dass der Tierhalter verpflichtet ist das Tier so unterzubringen, dass es sich auf Kosten der Nachbarschaft nicht länger als eine für unwesentlich gehaltene Zeitspanne täglich unterhalten kann. Hier gibt es eine Rechtsprechung wonach zwei Stunden außerhalb der Ruhezeit akzeptabel sind.

Wenn wildlebende Vögel in großer Zahl auf einem Grundstück nisten hat der Nachbar keinerlei Möglichkeiten ein Anspruch auf Beseitigung der Vogelnester zu verlangen. Denn zahlreiche Vögel stehen unter Naturschutz. Das Ruhebedürfnis der Nachbarn setzt sich gegen frei fliegende Vögel nicht durch.

Größere Chancen hat man bei Taubenhaltung.

Eine wesentliche Beeinträchtigung unter den Aspekten Lärm, Verunreinigung und Gesundheitsgefährdung wird bei einer Zahl von mehr als 20 Tauben angenommen.

Es hängt natürlich auch davon ab, in welcher Umgebung man sich befindet. Im ländlichen Raum oder am Stadtrand, wo Verschmutzungen und andere Beeinträchtigungen durch wilde Vögel ohnehin zum Erscheinungsbild der Wohngegend gehören, wird auch eine Taubenhaltung nicht zu beanstanden sein.

Das ändert sich dann in dichter bewohnten Wohngebieten, mit kleinen Grundstücken oder Innenstadtlagen.

Bei der Geflügelhaltung ist oftmals der Hahn der Streitverursacher. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist der Hahnenschrei auf jeden Fall, er schreit nicht nur laut sondern auch zu Tages- und Nachtzeiten.

Dann ist der Gesichtspunkt Örtsüblichkeit von Relevanz. In landwirtschaftlich dörflichen Gegenden wird die Hahn- und Hühnerhaltung selbstverständlicher angenommen als in Städten und reinen Wohngebieten.

Wie sieht es bei den üblichen Haustüren wie Hunde und Katzen aus?

Es gilt die Grundregel, dass bei Hunden ein gewisses Maß an Hundegebell von den Nachbarn toleriert werden muss. Störungen in der Nacht oder Mittagsruhe, hier von 22:00 Uhr bis 07:00 Uhr und 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr, sind weniger hinzunehmen.

In der Regel wird eine nicht mehr zulässige Beeinträchtigung von Hundegebell angenommen, wenn es außerhalb der Ruhezeiten mindestens eine halbe Stunde täglich insgesamt anhält oder aus sehr häufigen Attacken von jeweils kürzerer Dauer besteht.

Ein weiterer Streit zwischen Hundehaltern und Nachbarn kann auch die Hundetoilette sein.

Das „Verzieren“ des Nachbargartens kann als Eigentumsverletzung eingestuft werden.

Ein Hund hat auch grundsätzlich nichts im Nachbarsgarten zu suchen.

Bei Katzen stellt sich die Frage der Lärmbelästigungen eher nicht. Die Palette der gerichtlichen Entscheidungen bei der Katzenhaltung ist äußerst breit. Sie reicht vom völligen Obsiegen des Katzenhalters bis hin zum kompromisslosen Unterliegen.

Die grundsätzliche Frage lautet:

Muss man dulden, das Nachbarskatzen das eigene Grundstück besuchen? Nach Abwägung des Gebots der artgerechten Tierhaltung und der Tatsache das Katzen Teil der allgemeinen Lebensführung geworden sind und keine messbaren Beeinträchtigungen durch Katzen entstehen, ist das schlichte Betreten eines Grundstücks durch ein oder zwei Katzen hinzunehmen.

Nicht hinzunehmen ist es natürlich, wenn fremde Katzen das Grundstück oder den Balkon zur Katzentoilette umfunktionieren oder wenn sie ins Haus oder der Wohnung eindringen.

Grundsätzlich hat der gestörte Eigentümer das Recht die Katze die sein Grundstück betritt zu verjagen, selbstverständlich unter Beachtung tierschutzrechtlicher Bestimmungen.

Katzenkot geht über spurlose Eigentumsmitbenutzung hinaus. Es gibt jedoch auch andere Entscheidungen, von Gerichten, die dies anders gesehen haben.

Fazit: Schlichtes Betreten eines Grundstücks durch eine Katze muss geduldet werden. Gelegentliches seltenes Hinterlassen von Kot oder das seltene Betreten von Haus oder Wohnung ist ebenfalls noch akzeptabel.

Fazit: Wenn sie der Nachbar fragt, ob sie keine Tiere mögen, ist es bereits brenzlig.

Eine Prognose wer im Streit vor Gericht unterliegen wird ist unsicher, deshalb ist es dringend erforderlich mit den betroffenen Nachbarn zu sprechen und sein Anliegen darzulegen und eine gütliche Einigung herbeizuführen.

In jedem Fall sollte vermieden werden, dass ein Nachbarstreit auf dem Rücken der Tiere ausgetragen wird.

 

Rechtsanwältin Evelyn Wettstein